Hochsensibilität - Definition
Sekundenschnelle Videos, lautstarke Werbemusik und intensive Gerüche begleiten uns tagtäglich. In der heutigen, digitalisierten Welt erleben wir ständig neue Reize, welche immer konzentrierter und schnelllebiger werden (Schuh et al., 2019). Manche Menschen nehmen diese Reize sehr intensiv wahr und können Details sehr ausführlich erkennen und spüren. Diese Personen werden als hochsensibel bezeichnet und weisen eine höhere sensorische Reizverarbeitungssensibilität („Sensory Processing Sensitivity“ (SPS)) auf. Das bedeutet, dass hochsensible Personen (HSP) in bestimmten Situationen bedeutend mehr Reize, wie lautstarke Geräusche, Koffein, Schmerz oder die Stimmung in einem Raum, aufnehmen, als Menschen ohne dieses Persönlichkeitsmerkmal. HSP besitzen somit ein intensiveres und breiteres Wahrnehmungsvermögen und nehmen ihre Umgebung und Umwelt äußerst genau und aufmerksam wahr (Aron, 1996/2005). Sie sind besonders aufnahmefähig für die Empfindungen anderer sowie für die eigenen Sinneswahrnehmungen. Die Intensität der Emotionen und die Überreizung können zu einem Gefühl der Überforderung und dem Wunsch sich von der Welt abzukapseln, führen (Lange & Lux, 2021).
Aufgrund mangelnder Literatur und wissenschaftlicher Arbeit begann Aron in den 1990er Jahren ihre eigenen Studien, auf Basis bereits bestehender Forschung durch C.G. Jung, durchzuführen und entdeckte damit ein neues Forschungsfeld. Sie führte zwei- bis dreistündige Interviews mit 40 Personen durch und erstellte basierend darauf einen Fragenkatalog. Durch ihre umfassenden Studien geht Aron davon aus, dass etwa 15 bis 30 Prozent der Bevölkerung hochsensibel sind (Aron, 1996/2005).
Laut der Studie von Assary et al. Im Jahr 2020 ist die Hochsensibilität zum Teil vererbbar, da in etwa 47 Prozent der Unterschiede zwischen Personen, die nicht hochsensibel und die hochsensibel sind, auf die Genetik zurückzuführen ist. Die restlichen 53 Prozent der Unterschiede wurden in der Entwicklung erworben (Assary et al., 2020).
In der deutschen Literatur wird es meist als Hochsensibilität, aber auch als Hypersensibilität, erhöhte Feinfühligkeit, Neurosensitivität, Reizoffenheit oder Hochsensitivität übersetzt. Ob diese Begriffe unterschieden oder als gleichwertig angesehen werden soll, ist man sich in der Forschung uneinig (Aron, 1996, Rohleder, 2015, Hensel, 2018, Lange & Lux, 2021).
Die Hochsensibilität ist keine Krankheit, sondern ein oft sehr nützliches Persönlichkeitsmerkmal. Ebenso wird sie nicht, wie Psychoanalytiker im 19. Jahrhundert angenommen, mit Introversion, Neurotizismus oder Schüchternheit gleichgestellt. Diese Eigenschaften können aber ein Teil von hochsensiblen Personen sein. Aufgrund ihrer großen Verletzlichkeit und schneller Überforderung können bei hochsensiblen Personen hingegen leicht Erkrankungen entstehen (Meißner, 2015). Die Hochsensibilität bleibt in vielen Fällen unbekannt und Betroffene bemerken häufig erst spät, dass sie diesen Persönlichkeitsmarker besitzen. Daher lernen sie nur selten, mit der ständigen Reizüberflutung umzugehen und sich davon abzugrenzen. Daraus können Folgeschäden, wie Burnout, Depressionen, Angststörungen oder soziale Phobien entstehen. Auswirkungen der Überlastung können auch körperliche Symptome oder Erkrankungen, wie Kopfschmerzen, starkes Schwitzen oder Allergien sein. Um die Hochsensibilität zu erkennen, können Fragebögen, wie der „High Sensitive Person Scale“ von Aron und Aron (1997) nützlich sein. Auch die Erfragung von den einzelnen Sinneseindrücken und die Beobachtung beziehungsweise Erfahrung von Betroffenen in Überforderungssituationen bringen Aufschluss über eine mögliche Hochsensibilität (Maxeiner, Rühle, 2015).
Dieser kurze Überblick über dieses wunderbare Persönlichkeitsmerkmal dient zum besseren Verständnis und als kurze Information. Demnächst steige ich auch hier tiefer in diese Thematik ein und lade Euch dazu ein, meinen Blog für Updates zu verfolgen.
Literatur:
Aron, E. N. (2005). Sind Sie hochsensibel? München (Erstausgabe erschienen 1996).
Assary, E. et al. (2020). Genetic architecture of Environmental Sensitivity reflects multiple heritable components: a twin study with adolescents. Mol Psychiatry. https://doi.org/10.1038/s41380-020-0783-8
Hensel, U. (2018). Hochsensibilität verstehen und wertschätzen: Mit ausführlichem Fragebogen "Bin ich hochsensibel?" Junfermann Verlag GmbH
Lange, H., Lux V. (2021). Hochsensibilität. Einblicke in die Forschung der Arbeitseinheit Genetic Psychology an der Ruhr-Universität Bochum, Bochum
Maxeiner, S., Rühle, H. (2015). Ich fühle, was du nicht fühlst. DHZ – Deutsche Heilpraktiker Zeitschrift, 7: 66 – 69
Meißner, A. (2015). Hochsensible Persönlichkeiten – ein wohl überflüssiges Störungskonzept. NeuroTransmitter, Spinger Medizin
Rohleder, L. (2015). Die Berufung für Hochsensible. Die Gratwanderung zwischen Genialität und Zusammenbruch. dielus edition Leipzig