Kinder & Natur

Durch die gesellschaftlichen Veränderungen und somit auch Änderungen unserer Lebensverhältnisse, hat sich auch das Verhältnis zur Natur gewandelt. Die Natur gehört bei vielen Kindern nicht mehr zu den Lebensräumen, die direkt vor der Haustüre liegen. Durch die Zeit, die sie in Innenräumen, verdichteten Siedlungsgebieten und virtuellen Welten verbringen, verlieren diese den Bezug zur Natur. Aber warum brauchen Kinder die Natur? Sie können durch Naturerfahrungen wichtige Kompetenzen aufbauen, die insbesondere die eigenen Persönlichkeit stärken und für den sozialen Umgang förderlich sind (Schwery, 2013). Die Hauptgründe für die Entfremdung der Kinder mit der Natur sind die Gefahren, die Eltern in dieser sehen. Es besteht ein höheres Risiko für Sturzgefahren, Unfälle oder zum Beispiel Zeckenbisse. Des Weiteren sind Eltern oft bequem und ihnen widerstrebt es, in die Natur zu gehen. Ein dritter Punkt beinhaltet den Zeitfaktor, wobei die Eltern häufig den Tag der Kinder mit Freizeitbildung verplanen (Weber, 2011). Umso älter die Kinder werden, umso mehr spielt auch die Digitalisierung eine große Rolle. Viele Kinder beziehungsweise Jugendliche haben nicht nur das Problem räumlich und zeitlich von der Natur getrennt zu sein, sondern erleben auch eine virtuelle Distanz. Diese Distanz schafft eine Verkümmerung unserer Sinne, welche wir aber brauchen, um uns vollständig lebendig zu fühlen. Aber nicht nur die Flucht der Kinder in virtuelle Welten, sondern auch Hyperaktivität, Gewalt, Sucht und eine wachsende Gleichgültigkeit gegenüber der Umwelt sind Folgen der fehlenden Naturerfahrung (Louv, 2013). Gegensätzlich dazu zeigen Befragungen von Jugendlichen, dass die Vorliebe für natürliche Landschaften, Freizeitaktivitäten in der Natur und für Berufe, die etwas mit der Natur zu tun haben, vor allem bei denen auftreten, die bereits als Kinder viel in der Natur gespielt haben (Gebhard, 2015).

Natur und die Gesundheit von Kindern

 Auch die Gesundheit der Kinder profitiert von einem regelmäßigen Aufenthalt in der Natur. Die Naturerfahrung kann erst, seitdem durch Technik und Wissenschaft eine gezähmte Natur als unsere „echte und einzige“ Natur gilt, als gesundheitlich vorteilhaft wirken. Die Gefahren, die die Natur in vergangen Epochen zeigte, wurden ausgeblendet. Dieser Aspekt ermöglicht es den modernen Menschen, die Natur als ästhetisch und wohltuend in Hinblick auf unsere Gesundheit zu erkennen. Immer häufiger wird auch die umgekehrte Vermutung thematisiert. Eine Entfremdung der Natur soll sich dementsprechend negativ auf die Psyche auswirken (Gebhard, 2014). Um diesem Phänomen entgegenzuwirken kann das Angebot beziehungsweise die Möglichkeit Naturerfahrungen zu machen ein essentieller Beitrag zur Gesundheitserhaltung sein. Naturräume sollen sich deshalb günstig auf die Gesundheit auswirken, da sie einen Abstand zum Alltagsleben gewährleisten. Ebenso fordern Naturerfahrungen Aufmerksamkeit, die nicht anstrengt. Besonders deutlich wird dies bei der unmittelbaren Umgebung von Wohngegenden. Die Umgebung beeinflusst unsere Gesundheit deutlich und es zeigt sich, dass Menschen, die in Regionen mit viel Grün leben, ihre psychische und körperliche Gesundheit besser beurteilen, als Personen in einer Umgebung mit wenigen Grünflächen (Gebhard, 2010).

Natur und die psychische Gesundheit

Die psychische Gesundheit von Kindern beinhaltet deren emotionales, mentales und soziales Wohlbefinden. Sie beeinflusst welche Meilensteine in der Entwicklung Kinder erreichen, und ob sie gesunde, soziale Fähigkeiten entwickeln und solide Beziehungen zur Familie und zu Gleichaltrigen aufbauen können. Auch die Entstehung des Identitätsgefühls, eines positiven Selbstwertgefühls, der Resilienz und der Umgang mit Stress, gehören zu den essentiellen Faktoren der psychischen Gesundheit. Nicht nur Aspekte auf individueller Ebene, zum Beispiel biologisch oder sozioökonomisch, sondern auch externe Faktoren, wie Merkmale des Zuhauses oder der Nachbarschaft, haben Einflüsse auf die mentale Gesundheit (Tillmann, et. al. 2018). Natürliche Umgebungen, wie Wälder oder städtische Grünflächen sind für ihre positiven Auswirkungen auf den Stressabbau, die Gesundheit und das Wohlbefinden bekannt. Auch unsere kognitiven Funktionen scheint die Natur zu beeinflussen und selbst kurze Begegnungen mit der Natur können zu einer sofortigen positiven Wirkung führen. Sogar bildhafte Darstellungen der Natur können das Grübeln verringern und verringern somit das Risiko an einer Depression zu erkranken (Van den Bosch, Depledge, 2015). Studien zeigen, dass es signifikante positive Ergebnisse bezüglich der Vorteile von Natur für alle Auswirkungen der psychischen Gesundheit, besonders ADHS, allgemeine mentale Gesundheit, Stress, Belastbarkeit und der Lebensqualität, gibt. Jedoch bedarf es an mehr Forschung in dieser Thematik, um die psychischen Gesundheitsvorteile in Bezug auf die Natur zu bestätigen (Tillmann, et. al. 2018).

Natur und die physische Gesundheit

Die unmittelbare Wirkung auf die Gesundheit von Natur auf den Menschen wurde bereits mehrfach erwähnt. In Bezug auf die körperliche Gesundheit bedeutet das, dass Personen, die Zugang zu Grünflächen haben, im Allgemeinen gesünder sind und ein niedrigeres Risiko haben zu Erkranken. Bereits kurze Begegnungen mit der Natur reichen aus, um Cortisol-Werte und den Pulsschlag zu senken. Auch Kopfschmerzen und Unwohlsein können bereits durch die Aussicht auf eine Grünfläche abnehmen. Besonders förderlich ist, dass die Natur als Anreiz für Bewegung dient. Diese ist eine wesentliche Voraussetzung, um negative Folgen, wie Übergewicht und Herz-Kreislauferkrankungen vorzubeugen. Nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Therapie bei bereits bestehenden Krankheiten, wird durch die Natur unterstützt. Patienten und Patientinnen erholen sich schneller und regenerieren durch die Stimulierung des parasympathischen Nervensystems effektiver (Bröderbauer, 2015). In Bezug auf die Kinder gibt es ähnliche Befunde. Es hat sich gezeigt, dass in der freien Natur spielende Kinder, bessere Fertigkeiten und Fähigkeiten aufweisen, besonders hinsichtlich der Motorik und der Beweglichkeit. Das sind wichtige Faktoren, die die Prävention von Übergewicht und Bewegungsmangel fördern. Bewegung ist vor allem bei Kindern essentiell, um einen gesunden Lebensstil aufrechtzuerhalten und Krankheiten vorzubeugen (Louv, 2013). Hinzu kommt, dass der Kontakt zur Natur, das Immunsystem bei Kindern anregt, angemessen zu reagieren und zielsicher zu arbeiten. Auch das Tageslicht spielt eine Rolle in der Gesunderhaltung. Die Sehkraft der nachkommenden Generationen lässt, aufgrund der geringen Aufnahme von Tageslicht, nach und eine Kurzsichtigkeit entsteht (Renz-Polster, Hüther, 2013). Mit diesem Wissen, kann die Hypothese aufgestellt werden, dass sich Kinder, welche sich draußen in der Natur aufhalten und bewegen, zur Gesunderhaltung beitragen

Literatur:

Bröderbauer, D. (2015). Naturerleben und Gesundheit. Eine Studie zur Auswirkung von Natur auf das menschliche Wohlbefinden unter besonderer Berücksichtigung von Waldlebensräumen. Naturfreunde Internationale, Wien

Gebhard, U. (2010) Wir wirken Natur und Landschaft auf Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität? In: Naturschutz & Gesundheit – Allianzen für mehr Lebensqualität, BfN, Bonn-Bad Godesberg

Gebhard, U. (2014) Wie viel „Natur“ braucht der Mensch? „Natur“ als Erfahrungsraum und Sinninstanz in: Welche Natur brauchen wir? Analyse einer anthropologischen Grundproblematik des 21. Jahrhunderts, Verlag Karl Alber Freiburg / München

Gebhard, U. (2015) Glücksmomente in der Natur? – „Natur“ als Erfahrungsraum und Sinninstanz, in: Klugheit, Glück, Gerechtigkeit – Warum Ethik für die konkrete Naturschutzarbeit wichtig ist. Bfn-Skripten 414

Louv, R. (2013) Das letzte Kind im Wald. Geben wir unseren Kindern die Natur zurück. Herder Spektrum.

Renz-Polster, H., Hüther, G. (2013). Wie Kinder heute wachsen. Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken. Beltz Verlag, Weinheim Basel

Schwery, N. (2013) Brauchen Kinder und Jugendliche die Natur? Stiftung Silviva, Schweiz Z Forstwes 164. 3: 80–82

Tillmann, S., et. al. (2018). Mental health benefits of interactions with nature in children and teenagers: a systematic review, J Epidemiol Community Health

Van den Bosch, M., Depledge, M. (2015) Healthy people with nature in mind. BMC Public Health 15(1):123

Weber, A. (2011). Mehr Matsch! Kinder brauchen Natur. Ullstein Verlag, Berlin

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